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Getränke

Rendez-vous mit der Grünen Fee

Distillerie d’Absinthe Artemisia
#absinth #schweiz #spirituosen

Oscar Wilde, Pablo Picasso, Henri de Toulouse-Lautrec, Vincent van Gogh und Ernest Hemingway. Sie alle haben eines gemeinsam: Sie liebten Absinth. Und sie waren bei weitem nicht die einzigen. Denn die „Grüne Fee“ oder „La Bleue“, wie das Getränk in der Schweiz während der Prohibition auch genannt wurde, erfreute sich im 19. Jahrhundert grosser Beliebtheit. Nicht nur Bohémiens, Künstler und Intellektuelle griffen regelmässig zur Absinthflasche. Auch in ärmere Bevölkerungsschichten fand das Getränk auf Grund seines tiefen Preises Anklang. Ein Trend, der sich durch die wachsende Zahl zweifelhafter Hinterhof-Brennereien, in denen Absinth mit minderwertigen, zum Teil sogar illegalen Zutaten hergestellt wurde, verstärkte. Dieser übermässige Alkoholkonsum ist vor dem Hintergrund zu werten, dass zu dieser Zeit, Wasser als Ursache vieler Krankheiten galt und Alkohol als „sichere Alternative“ zu Wasser angesehen wurde.

Breite Allianz gegen Absinth

Die enorme Popularität der Spirituose und die Gesundheitsschäden durch den übermässigen Alkoholkonsum rief eine «Anti-Absinthbewegung» auf den Plan, die auch von den Winzern unterstützt wurde. Letztere machten sich jedoch in Tat und Wahrheit weniger Sorgen um die Volksgesundheit. Vielmehr sahen die Winzer im Absinth eine bedrohliche Konkurrenz, nachdem sie Ende des 19. Jahrhunderts gravierende Ernteausfälle auf Grund einer Reblausepidemie erlitten. 
Was folgte war eine zwiespältige Kampagne, die in vielen europäischen Ländern anfangs des 20. Jahrhunderts zu einem Absinth-Verbot führte. Als Hauptargument wurde die schädliche Wirkung der Wermut-Essenz ins Feld geführt, welche für den geistigen Verfall der Absinth-Trinker verantwortlich sein wollte. Heute weiss man, dass die Psychosen und Todesfälle bei den Absinth-Trinkern vielmehr auf die täglich konsumierten Unmengen des hochprozentigen Alkohols, als auf Wermut-Essenzen zurückzuführen sind.

Im Epizentrum des Absinths

Entsagten dank dem Verbot die Absinth-Konsumenten dem vermeintlichen Teufelszeug und tranken nur noch Wein und Bier? Mitnichten. Das Verbot läutete vielmehr die Epoche der Schwarzbrennerei ein. Um mehr über die Zeit zu erfahren, begeben wir uns in das Epizentrum der Absinth-Produktion – dem Val de Travers. Dieses Tal verbindet die Westschweizer Stadt Neuenburg mit der französischen Ortschaft Pontarlier. Auf halber Strecke liegt das Dorf Couvet, in dem Claude-Alain und Karine Bugnon ihre „Distillerie d’Absinthe Artemisia“ betreiben. Bugnon war der erste Schwarzbrenner, der sich gegenüber den Behörden als solcher outete, um eine Bewilligung für die Produktion der Grünen Fee zu erhalten, als 2005 das Absinth-Verbot in der Schweiz fiel. 
„Absinth ist fest mit unserer Region und Kultur verankert“, erzählt der Experte. Tatsächlich belegen viele historische Quellen, dass Frauen des Dorfes Couvet seit Mitte des 18. Jahrhunderts Absinth als Elixier entwickelten und an Apotheken verkauften. Der erste industrielle Absinth-Produzent Dubied Père&Fils stellte Henri-Louis Pernod an, der sich später aus Steuergründen in der französischen Grenzstadt Pontarlier niederliess, um seinen eigenen Absinth zu produzieren. Nach dem Absinth-Verbot brachte die Familie Pernod ein Ersatzprodukt mit Anisaroma jedoch ohne Wermut auf den Markt.

Einfache Herstellung, streng geheime Rezepte

Mit dem Verbot wurde die Absinth-Herstellung also in die Illegalität getrieben. Doch hinter verschlossenen Türen frönten die Absinth-Anhänger ihrer Leidenschaft. „Bei uns war es üblich, am Wochenende zusammen mit Freunden Absinth zu produzieren, erzählt Claude-Alain Bugnon. Und er fügt lachend an: „Wir produzierten für gewöhnlich neun Liter am Tag und tranken während der Produktion einen.“ Doch wie war es möglich, ein in der Verfassung verankertes Verbot so leicht zu umgehen? „Sämtliche für die Herstellung benötigten Inhaltsstoffe konnte man jederzeit legal in Apotheken kaufen. Erst die Weiterverarbeitung war illegal“, fasst Bugnon zusammen. Zudem ist die Absinth-Produktion einfach und es braucht dazu nur wenig Equipment: Eine Mischung getrockneter Pflanzen wird über Nacht in einer Wasser-Alkohol-Mischung im Brennkessel eingelegt und dann redestilliert. „Damit bekommt man reinen Absinth mit 76 Volumenprozent, der dann auf die gewünschte Konzentration verdünnt wird“, fasst der Experte zusammen. 

„Für die Qualität des Absinths ist die Qualität der Pflanzen und deren Mischung entscheidend“, weiss Claude-Alain Bugnon. Die Grundzutaten bleiben immer gleich: Grüner Anis, Fenchel, Wermut (Artemisia absinthium), Ysop, Sternanis und Melisse. Diese Basis wird von den Brennmeistern dann mit weiteren Pflanzen angereichert. So existieren bis heute im Val de Travers verschiedene geheime Familienrezepte, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. Eine Grundregel gilt jedoch: „In einem richtigen Absinth haben künstliche Farbstoffe und Zugaben chemischer Zusätze nichts zu suchen.“ 

Trinkrituale sind Teil des Genusses 

Zu einem sagenumwobenen Getränk wie dem Absinth gehören entsprechende Trinkrituale. Diese beginnen bereits mit der Bereitstellung des Wassers, mit dem der Absinth auf die richtige Stärke verdünnt wird. Als Wasserreservoir dienen dabei sogenannte Absinth-Fontänen – meist ein rundlicher Glasbehälter auf einem verzierten Stil mit mehreren kleinen Wasserhähnen, aus denen man kaltes Wasser in die kelchförmigen Absinthgläser tröpfeln lässt.

 „Man verdünnt den Absinth ganz langsam mit Eiswasser bis die Farbe milchig-trüb wird“, erklärt Claude-Alain Bugnon. Das ideale Mischverhältnis liegt bei etwa 1 Teil Absinth zu 3,5 bis 5 Teilen Wasser. So wird in Etwa eine Stärke von 11 Volumenprozent Alkohol erreicht. „Bei dieser Konzentration kommen alle verwendeten Pflanzen geschmacklich zum Tragen“, erklärt der Brennmeister und fügt an: „Absinth ist wie eine Symphonie. Mit jedem Schluck erweitert sich das Geschmacksspektrum.“ 
Geniesst man den Absinth als Digestive, kann man das Wasser auch über ein Stück Würfelzucker rinnen lassen. Dazu wird das Zuckerstück auf einen eigens dafür entwickelten Löffel gelegt, der dank der kunstvollen Perforation auch diesem Schritt eine feierliche Note gibt. Die Zuckerzugabe gibt dem Getränk eine süss-bittere Note. Meister Bugnon raucht dazu auch mal gern eine Zigarre.

Und noch etwas rät der Experte: „Drei Gläser pro Stunde reichen.“ Und er weiss, wovon er spricht. Denn bei den von ihm geleiteten Degustation beobachtet er häufig, dass seine Gäste zuerst euphorisch reagieren und dann gern zu schnell zu trinken beginnen. Was ziemlich häufig ein abruptes Ende eines gemütlichen Abends zur Folge haben kann. Denn Absinth steigt rasch in den Kopf. Die Ambivalenz zwischen Rausch und Kater mag zwar ausgeprägt sein, dennoch haftet der Grünen Fee etwas Mystisches an, dass – wenn massvoll genossen – zu einem Glücksgefühl bei den Trinkenden führt. Oder wie Oscar Wilde gesagt haben soll: „Absinth ist so poetisch wie nichts anderes auf der Welt.“  

Die Produkte der Distillerie Artemisia-Bugnon (Stand Herbst 2018)


La Clandestine
53% Volumenprozent Alkohol
Flaschengrösse: 70cl und 20 cl

  • Basiert auf einem Rezept aus dem Jahr 1935; 
  • Der erste, vormals illegale Absinth, der nach dem Aufheben des Verbots am 1. März 2005 eine Zulassung bekam;
  • Beinhaltet über 10 Pflanzen;
  • Mehrfache mit Preisen ausgezeichnet.


La Capricieuse
72% Volumenprozent Alkohol
Flaschengrösse: 70cl und 20 cl

  • Basiert auf demselben Rezept wie ‘la Clandestine’, hat jedoch höheren Alkoholgehalt, welcher eine stärkere Verdünnung mit Wasser nötig macht. Dadurch wird der Abgang im Mund verlängert; 
  • Mehrfach mit Preisen ausgezeichnet.

Angélique
68% Volumenprozent Alkohol
Flaschengrösse: 70cl und 20 cl

  • Der Name kommt nimmt Bezug auf die Verwendung einer Pflanze mit diesem Namen;
  • Stärkere Pflanzennote und weniger Anisgeschmack;
  • Die grüne Farbe ist rein natürlichen Ursprungs (Chlorophyll); 
  • Eignet sich, um Wasser über ein Stück Würfelzucker in den Absinth laufen zu lassen und gesüsst zu trinken.

Liqueur d’Absinth
15% Volumenprozent Alkohol
Flaschengrösse: 50cl 

  • Likör auf Basis des Absinths ‘La Clandestine’ mit Zugabe von Eigelb, Vanillezucker, Milch etc.;
  • Eignet sich als Dessert.

La Clandestine 1935
51% Volumenprozent Alkohol
Flaschengrösse: 20cl 

  • Mischung des Geschmacks eines klassischen Absinths mit dem eines guten Cognacs;
  • Dazu reift der Absinth ‘La Clandestine’ während sechs Jahren in einem Eichenfass;
  • Wird wie ein Whiskey oder Cognac unverdünnt genossen.

Butterfly
65% Volumenprozent Alkohol
Flaschengrösse: 70cl und 20cl 

  • Basiert auf einem Rezept aus Boston von 1902;
  • Mit Zitrusfrucht- und Gewürznote.