Local Food Stories

Fleisch, Fisch & Co.

Im Einklang mit Tier und Natur

Kobel's Hof
#fleisch #schweiz

Jonathan Kobel steuert seinen alten Land Rover über einen holprigen Feldweg zu einem von wilder Vegetation überwachsenen Naturschutzgebiet wenige Kilometer südlich von Bern. Während der Landwirt das Fahrzeug bei der Zaunöffnung zum Stehen bringt, erklärt er: «Dies ist ein typisches Weidegebiet für unsere Galloway.» Die ursprünglich aus Schottland stammenden Galloway Rinder sind einerseits hart im Nehmen: «Dank ihrem langen, doppelschichtigen Fell eignen sie sich für eine ganzjährige Freilandhaltung.» Dabei fressen sie neben Gras auch Neophyten wie Goldrute oder den Japanischen Staudenknöterich. Andererseits sind die Tiere relativ leicht und ihre Klauen sind breiter als die einer Milchkuh. «Damit schädigen die Tiere kaum den Boden», erklärt Jonathan Kobel. Dies ist auch der Grund, weshalb seine Tiere immer häufiger in Naturschutzzonen zur Landschaftspflege eingesetzt werden. Und wenn sie gerade einmal nicht als umweltschonende Rasenmäher im Einsatz sind, frönen sie auf Kobel’s eigenen Weiden ein artgerechtes Leben in grossen Herden – mit Bulle und Kälbern buntgemischt. 

Qualität vor Zeitdruck

Jonathan Kobel nimmt einen gelben Futtereimer aus dem Kofferraum. Das Geräusch wirkt Wunder. Innert kürzester Zeit traben die Tiere zu unserem Fotoshooting. Kobel erklärt: «Eigentlich kriegen unsere Galloway nur, was das eigene Land hergibt.» Und da der Kobelsche Betrieb 40 Hektaren Grünland, aber kein Ackerland umfasst, ist die einzige Nahrungsquelle Gras bzw. Heu und Silage. Also kein Kraftfutter oder Mais. Der Nachteil: «Damit wachsen die Tiere langsamer und erreichen erst etwa im Alter von zwei Jahren das Schlachtgewicht. Dafür ist ihr Fleisch schmackhafter.» 
Um dem Fleisch die nötige Zartheit zu verleihen, lässt Kobel dieses rund zweieinhalb Wochen abhängen und nochmals eine Woche in der Vakuumverpackung ruhen. Und noch etwas trägt zur Zartheit des Fleisches bei: «Ich bringe zwischen einem und drei Tieren pro Monat zum Schlachthof. Die Fahrt ist kurz und ich reserviere immer einen Termin frühmorgens, damit die Tiere möglichst wenig Stress haben.» 

Würdevoller Umgang bis zum Schluss

Ein würdevoller Umgang mit seinen Tieren ist für Jonathan Kobel von zentraler Bedeutung. Dazu gehört nicht nur eine artgerechte Haltung und ein respektvoller Umgang, sondern möglichst auch die Nutzung des ganzen Körpers. «Bei uns kann man nicht einfach das Filetstück beziehen», betont der Landwirt. Vielmehr bietet die Familie Kobel in ihrem Onlineshop Mischpakete à 10kg, 17kg und 34kg an. Und: «Jedes Paket kann man entweder für einen Zwei-, oder einen Vierpersonenhaushalt portionieren lassen.» Entsprechend wird das Fleisch feinsäuberlich nach Sorte getrennt vakuumverpackt – bereit für die Tiefkühltruhe. So stellt Jonathan Kobel sicher, dass auch weniger populäre Fleischsorten wie beispielsweise das Ragout genutzt werden. 

Bei Gastronomiebetrieben geht der innovative Berner noch weiter: «An Restaurants verkaufen wir nur ganze Hälften, also ‘nose-to-tail’ im wahrsten Sinne des Wortes.» 
Damit die Gastronomen ihren Kunden die Geschichte der Kobelschen Rinder erzählen können, versorgt er sie mit entsprechenden Bild- und Informationsmaterial. Mit nachhaltiger Wirkung: «Die Restaurantbesucher lernen so unsere Philosophie eines in sich geschlossenen Kreislaufs kennen und sie können sich von der Fleischqualität überzeugen. Viele bestellen später direkt bei uns Mischpakete ab Hof.» 

© Sebastian Kobel

Kooperationen statt Wachstum

 Die Nachfrage nach dem Galloway Fleisch ist so gross, dass die Kunden auf die Auslieferung auch mal einen Monat oder länger warten müssen. Doch eine Vergrösserung seiner siebzig bis hundert Tiere umfassenden Herde kommt für Jonathan Kobel trotzdem nicht in Frage: «Wir haben alles, was wir brauchen. Jede weitere Umsatzsteigerung wäre bloss fürs Ego gut.» Und er fügt an: «Wir wollen authentisch bleiben und noch selber im Betrieb mitarbeiten und nicht nur im Büro sitzen.»

© Sebastian Kobel

Und doch planen die Kobels eine Weiterentwicklung. Sie suchen vermehrt nach Produkteergänzungen und Kooperationen: «Für unsere aus 100% Prozent Rindfleisch bestehende Trockenwurst verwenden wir feinsten Kambot-Pfeffer, den wir über einen Feinkostladen in Bern beziehen.» Dieser Laden verkauft im Gegenzug die Galloway Würste. Jonathan Kobel ist aber auch bei Anlässen lokaler Weinproduzenten mit seinen Wurstwaren anwesend – schliesslich passen diese perfekt zum Wein und zu Kunden, die lieber regionale Produkte einkaufen, als Massenware.

Der geschlossen Kreislauf

Unser Fotoshooting neigt sich dem Ende zu und Tiere schlendern durchs hohe Schilfgras davon. Bevor wir wegfahren, füllt Jonathan Kobel noch Flyer in einer Halterung nach, die er zwischen Zaun und Feldweg aufgestellt hat. «Viele Wanderer spazieren vorbei und bewundern die hierzulande untypischen Tiere. In meinem Flyern finden sie die nötigen Informationen zu unserer Philosophie und den Produkten», erzählt der Landwirt nicht ohne Stolz. Mit dieser Information setzt er einen weiteren wichtigen Baustein im Kreislauf von artgerechter Tierhaltung, Naturschutz, hochstehenden Fleischprodukten und Konsumenten, die auf nachhaltige Produktion Wert legen.

© Sebastian Kobel